PRESSESPIEGEL

Der Neue Merker - Wien

Spielzeit 2007/2008

Ruhe im Tode?" - Erwin Schulhoff: Flammen'; Pfalztheater Kaiserslautern.

Kritik von Dirk Altenaer

So hofft Pamina in der Zauberflöte, aber was ist, wenn selbst die Todesgöttin keine Ruhe findet und sich in Liebe zu "dem" Verführer der weiblichen Seelen verzehrt, zu einem Getriebenen, der zum Leben verdammt ist, verdammt, seinen Trieben zu folgen, aber seinen Todestrieb nicht befriedigen kann?

In Erwin Schulhoffs musikalischer Tragikomödie "Flammen", deren Text Max Brod nach einer Vorlage des tschechischen Surrealisten Karel Josef Benes verfaßte, ist Don Juan nicht der strahlende Verführer Mozarts, sondern ein von seinem Trieb Besessener, der nur eins sucht, seinen Tod. Wobei sich ihm die Todesgöttin "La morte" zwar verzehrend anbietet, darf er nicht sterben, so des Komthurs Fluch. Mozarts Held erscheint uns quasi durch eine surrealistisch dadaistische Vexierbrille, die Vorlage wird nur partiell gestreift - im zweiten Akt, wo Donna Anna den Trieben des Verführers erliegt, worauf der Komthur, ihr Gatte, den Wüstling zum ewigen Leben verdammt. Die gesamte Oper ein Totentanz als ein kaleidoskopartiges perpetuum mobile. Schulhoff findet dafür eine üppig berauschende, alle Sinne betörende Musiksprache, sich orientierend an seinem Ideal Richard Wagner,

atypisch für seine Zeitgenossen, entfesselt Schulhoffeine Klangorgie, die die Symphonik eines Strauss und Mahlers, die formale Stringenz der Neuen Wiener Schule und Hindemiths ebenso vereint, wie die schwülstig üppigen Partituren Zemlinskys und Schrekers mit einem Schuß sowjetischer Avantgarde ä la Prokofjev.

Uwe Sandner und das Orchesters des Pfalztheaters vollbringen Erstaunliches. Als hätten sie nie etwas anderes, alsvdie komplexen Partituren des Vergessenen einstudiert, tönt es in einer atemberaubenden Üppigkeit invschillerndsten Farben aus dem Graben - eine Symphonie der Sinnlichkeit. Auch den Protagonisten wird einiges abverlangt: Meint man, Richard Strauss hasse seine Tenöre, der hat noch keine Note aus der Feder Schulhoffs gehört. Don Juan ist ein heldischer Charaktertenor, der in tristanschen Ausmaßen, er steht in jeder Szene auf der

Bühne, orgiastische Kaskaden im Dauer-Diskant zu vollziehen hat. Kaiserslautern hat mit seinem ehemaligen Ensemblemitglied Douglas Nasrawi einen Künstler gefunden, der diesen Kraftakt mühelos bewältigt und dabei noch nicht einmal zum Forcieren gezwungen ist. Chapeau! Sein nicht gerade schönes Timbre, dem man etwas mehr Sinnlichkeit und Schmelz wünschte, nimmt man da gerne in Kauf. Alle anderen Rollen fallen dagegen zwar nicht gerade auf Nebenrollen-Niveau, können aber mit der zu bewältigenden Menge, mit Don Juan nicht mithalten. Die Verführten Frauen: "Frau, Nonne & Donna Anna" waren in der sicheren Kehle von Silvia Hablowetz trefllich aufgehoben und auch Adelheid Fink gefiel mit

rundem Mezzo als "Margarethe". im Morgenmantel, der älteren verführerischen Marlene Dietrich, durchmaß Anna Maria Dur als Todesgöttin "La Morte" die Bühnenräume und erst im zweiten Akt war es an ihr, ihren pastosen Alt sinnlich verströmen zu lassen.

Alexis Wagner war der baßgewaltige mahnende "Komthur", Daniel Böhm ein keck quirlig zynischer "Harlekin". Fülle des Wohllauts, ließ sich das Schattensextett der Damen Arlette Meißner, Elena Laborenz, Annette Yasmin Glaser (Soprane); Katrin Sander, Dominique Engler und Elena Gerasimova (Altstimmen) umschreiben.

Leider konnte die Regie da nicht ganz mithalten, zumal Urs Häberli auf diskret eingesetzter Drehbühne zwar für reibungsvollen Ablauf sorgte, aber wohl nicht ganz seiner Arbeit und vor allem nicht den symphonischen Zwischenspielen im ersten Teil traute. Auf die eher ernüchternd und in ihrer dauerhaften Penetranz ermüdend wirkenden Video-Sequenzen der schweizerischen Videokünstlerin Chantal Michel hätte man gut und gerne verzichtet, zumal nun rein gar nichts mit der sinnlichen Kraft der Musik zu tun hatten. Aber da der Komponist

glühender Dadaist war, so scheint es, darf man sich da wohl so einiges erlauben, wie auch die unnötige Pseudo-Conference des Titelhelden über lokale Kulturpolitik im zweiten Teil. Schade, damit wurde den üppigen Bildern, die sich eng an die Farbvorgabe Schulhoffs hielten, die Wirkung genommen, Dabei hat Thomas Dörfler mit einfachen praktikablen Fensterwänden einen kühl faszinierenden Raum geschaffen, der an die mystischen "leeren"

Stadtansichten eines De Chirico gemahnten. Phantastisch surreal das grandiose Dombild mit dem überdimensionierten Weihrauchfaß als priesterliche Schaukel. Schön anzusehen die Kostüme Ursula Beutlers, allerdings darf die Frage gestattet sein, warum es, wenn der Komponist schon Nacktheit vorschreibt, so brav und bieder, wenn nicht gar prüde hergehen muß?

Trotzdem ein lohnenswerter Abend, den das Publikum mit herzlichem Applaus quittierte.

Das Kaiserslauterner Wagnis, hintereinander zwei Trouvaillen auf die Bühne zu stemmen, zuvor hatte Ernst Kreneks "Johnny, spielt auf Premiere, sollte anderen, zögerlicheren Häusern ein Beweis sein, daß, so man dem Publikum Ungewohntes anbietet, dieses auch annimmt. Bleibt zu hoffen, daß Erwin Schulhoff endlich der Platzim Repertoire eingeräumt wird, der ihm gebührt.