Ping, Pong und Leichen im Keller

TURANDOT - Saarbrücker Zeitung-Kritik

Eine glänzende Premiere: Puccinis "Turandot" am Pfalztheater Kaiserslautern Im Rahmen der Musikfestspiele Saar hat Puccinis "Turandot" in Kaiserslautern seine Premiere gefeiert: eine klug ausgefeilte Inszenierung, ein mitreißendes Orchester und ein Solistenteam auf hohem Niveau.

Von SZ-Mitarbeiterin Leslie Dennert

Kaiserslautern. Wer drei Rätsel lösen kann, darf Turandot ehelichen und mit ihr über China herrschen. Die Bewerber kommen in Scharen, denn Turandot ist unglaublich schön. Doch keiner erreicht sein Ziel - sie müssen sterben. Bis Prinz Calaf kommt, der des Rätsels Lösung weiß. Er singt die "Nessun dorma"-Arie, und Turandot erliegt seiner Liebe. Giaciomo Puccini, der bis dato überwiegend durch rührselige Melo- dramen berauscht hatte, lässt es hier derb zugehen: In Turandots Keller liegt nicht nur eine Leiche.

Das Pfalztheater Kaiserslautern zeigte am Samstag in Zusammenarbeit mit den Musikfestspielen Saar eine ausgezeichnete Premiere. Neben einer klug ausgefeilten Inszenierung und einem mitreißenden Orchester bot es ein Solistenteam auf beachtlich hohem Niveau. Carlos Moreno etwa verzauberte als Calaf mit einem wunderbar warmen und mühelosen Tenor, der auch dann noch überzeugt, wenn man sich mehr Gesten von ihm wünschte. Denn von Gesten lebt diese Aufführung. Regisseur Urs Häberli gelingt eine Balance aus aufreibenden Massenszenen und Momenten knisternder Spannung. Auch wenn der Henker blutrot seinen Säbel schwingt oder die Minister die Leichen verstauen - es wirkt zu keiner Zeit aufdringlich.

Fernab von China-Kitsch baut die Inszenierung auf wohl dosierten und feinsinnigen Aktionen auf. Nur in synchronen stilistischen Andeutungen zeigt die Menge eine Regung. Was den verhaltenen Gesten der Protagonisten kontrapunktisch gegenübersteht. Einzig und allein die kaiserlichen Minister Ping, Pang und Pong zeigen menschliche Bewegungen, obwohl sie die Kluft eines Roboters tragen (Kostüme: Annette Heraeus). Dorin Mara, Hans-Jörg Bock und Mario Podrenik geben ein famoses Trio ab, stimmlich wie schauspielerisch. Als Ausflug in die Commedia dell'arte distanzieren sie sich vom rätselhaften Treiben. Denn das, was in der Geschichte passiert, ist alles andere als logisch. Weder dramaturgisch noch musikalisch ist die Wandlung von der rachesüchtigen Mörderin zur liebenden Frau begründet. Die stets apart ausgeleuchtete Bühne verbildlicht dieses Rätsel durch ein nach hinten aufsteigendes Labyrinth (Bühne: Thomas Dörfler). An den Wänden wird der Gedanke durch ein Geflecht aus Verbundsteinen aufgenommen. Sie erinnern an ein "Yenga-Spiel", bei dem derjenige gewinnt, der ein Bauteil entfernen kann, ohne dass das Konstrukt kollabiert. Dabei wartet man bis zum Ende der Oper, dass alles zusammenbricht. Denn selbst das Volk hat sich von der Grausamkeit der Prinzessin anstecken lassen und ergötzt sich am Schauspiel der Hinrichtung. Der Chor steigert sich im Laufe des Geschehens zur Bestform (Leitung: Ulrich Nolte). Kompliment!

Musikalisch lebt Turandot von flirrenden und pentatonischen Klanggemälden, denen monumentale und scharfe Akzente gegenüberstehen. Unter der musikalischen Leitung des Kaiserslauterner Generalmusikdirektors Francesco Corti setzt das Orchester des Pfalztheaters diese Kombinationen souverän um. Exotischen Kolorit und kammermusikalische Momente spielt es ebenso raffiniert und kraftvoll wie reißerische Massenszenen.

Einen eher undankbaren Part hat Laurie Gibson als Liù. Ihren Antritt gegen den Star des Abends dankt das Publikum mit kräftigem Applaus. Rachael Tovey als Turandot macht schlichtweg süchtig. Fassungslos ob einer solchen gewaltigen und gleichermaßen geschmeidigen Stimme vergisst man bisweilen zu atmen. Gänsehautwogen in der Oper sind heute nicht selbstverständlich. Im Pfalztheater kann man sie wieder erleben.
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