Landshuter Woche vom 3.3.2010 

 

...Doch gleich vorab: Stefan Tilch segelt auf Erfolgskurs. Er nutzt alle Möglichkeiten, die ihm die im Vergleich zum Stadttheater riesige Pfalztheaterbühne bietet. Er inszeniert ein schlüssiges und dichtes Psychogramm menschlicher Tragik rund um das Thema Erlösung und bereichert die bekannte Story um den einen oder anderen neuen Aspekt. Thomas Dörfler hat Tilch dazu ein in seiner Ästhetik faszinierendes Bühnenbild gestaltet, das wie die Inszenierung und die kongenialen Kostüme von Christl Wein durch eine ganz besondere Bildsprache besticht und die wirkliche Dimension mitunter erst auf den zweiten Blick preisgibt. Bestes Beispiel dafür ist das Schiff des Holländers, das vordergründig betrachtet als imposanter Luxus-Kreuzer mit durchsichtigen Glasfassaden daherkommt, hinter diesen Fassaden aber jene unzähligen Frauen beherbergt, die den Holländer im Lauf der Jahrhunderte nicht von seinem Fluch erlösen konnten und die ihm nun wie Untote folgen. Tilchs Holländer hat etwas von dem geheimnisvollen Vampir Edward aus der „Twilight“-Saga. Blass, mysteriös und auf eine unheimliche Weise doch irgendwie anziehend. Da ist nichts vom düsteren und dämonischen Holländer-Klischee, das wir aus so vielen Inszenierungen kennen. Ganz große Oper ist auch die Schlussszene, die Tilch mit Gänsehautgarantie inszeniert hat. Nur der Holländer und die tote Senta – die sich Minuten vorher geopfert hat – auf der leeren Bühne, quasi inmitten des endlosen Ozeans der Gefühle. In Kombination mit Wagners herzzerreißender Musik – ein überwältigender Moment.
Gesanglich ist die Produktion auf bemerkenswert hohem Niveau, insbesondere die wunderbare Adelheid Fink – die wir auch noch aus ihrem Engagement am Landshuter Stadttheater kennen – verkörpert die durchaus heikle Partie der Senta mit stimmlicher Brillanz, keinerlei Schärfen und großer Hingabe. Ganz hervorragend auch der stimmgewaltige und ausdrucksstarke Holländer von Andreas Macco, der in den letzten Jahren auch schon in Bayreuth aufgetreten ist.
Steffen Schantz als Erik ist eine echte Tenorhoffnung, von ihm dürfte in Zukunft ganz sicher noch zu hören sein und Hans-Jörg Bock (Steuermann) und Susanne Schimmack (Mary) singen auf einem Niveau, das auch für eine Staatsoper locker reichen würde. Einzig Michael Dries als Daland fällt mit einer durchschnittlichen Leistung ab, diese Partie hätte deutlich mehr hergegeben.
Till Hass dirigierte sehr dynamisch, leidenschaftlich und intensiv und führte das Orchester, die Solisten und den tollen Chor auf höchstem Niveau durch die Premiere. Am Ende lang anhaltende Ovationen für das Kaiserslauterer Ensemble und Stefan Tilch mit seinem Team. Diese Produktion kann man mit Fug und Recht als ganz großen Wurf bezeichnen. Ein Trip nach Kaiserslautern ist uneingeschränkt zu empfehlen, denn Stefan Tilchs Regie ist ein Musterbeispiel dafür, dass man Oper modern, spannend und durchaus auch in einer ungewohnten Bildsprache inszenieren kann – und das Werk dabei nicht zertrümmern muss.

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