SWR2 vom 28. Juni 2010

 

 

„Falstaff“. Schlussbild. Alle sind auf der Bühne: Der von seiner Eifersucht kurierte Ford, seine Frau Alice und ihre Freundinnen, der düpierte Dr. Cajus, die mit ihrem Geliebten endlich vereinte Nannetta... Alle. In der Mitte der Lebemann Sir John Falstaff, gedemütigt, aber unbeirrt in seiner Maxime: Tutto nel mondo è burla – Alles in der Welt ist Posse.

Und alle stimmen ein. Ein tolles Bild voll sprühendem Witz und tiefer Weisheit, auch in Kaiserslautern.

Hier macht Regisseur Bernd Weikl vom ersten Augenblick an klar, wohin die Reise geht:

Ins Italien des 18. Jahrhunderts, in die Welt der Commedia dell’arte, allerdings angereichert durch Elemente neuzeitlicher Dramaturgie, wie gleich zu Beginn. Noch vor der Ouvertüre nämlich gelingt Weikl ein Kabinettstück ersten Ranges: Allein auf die Bühne kommend, wird er vom Publikum mit stürmischem Applaus empfangen. In diesen Applaus lässt er schnell seine gesamten Akteure eintauchen wie üblicherweise zu Ende der Vorstellung. Damit bildet sich nicht nur ein hintersinniger Kreislauf, Weikl führt dem Publikum seine eigene Verführbarkeit vor und bezieht es so vorab in die Reihe der zum Schlussbild vereinten Protagonisten mit ein.

 

Das Bild des Kreislaufs, der stetigen Wiederkehr von Ähnlichem, ist eines der Grundmotive, die Weikl deutlich herausstellt. Bühnenbildner Thomas Dörfler bekräftigt diesen Ansatz durch das Bild einer riesigen runden Erdkugel, das er zentral auf die Szene stellt. Die vielen Fenster, die sich für den Chor immer wieder darin öffnen, machen darüber hinaus deutlich: Privatheit ist Illusion, hier kriegt jeder alles mit.

In der Personenführung profitiert Weikl von seiner jahrzehntelangen Praxis. Falstaffs Diener Bardolfo und Pistola geraten zu urkomisch-schrägen, widerspruchsvollen Existenzen, gleichermaßen verschlagen und dreist wie dumm und feige. Dem eleganten Ford nimmt man die Verzweiflung über die geglaubte Untreue seiner Frau genauso ab wie seine Bitte um Versöhnung. Alice und ihre quirligen Freundinnen zweifeln an ihrer Überlegenheit den Männern gegenüber keinen einzigen Augenblick.

 

Die Rolle des Falstaff ist Bernd Weikl wie auf den Leib geschnitten. Er verkörpert den Ritter als ein melancholisches Relikt einer idealen Welt, als Schmelztiegel gröbster Sinnlichkeit und tiefster Gedanken.

Unterstützt durch ein auch stimmlich sehr gut besetztes Ensemble und durch ein Orchester, das unter seinem GMD Uwe Sandner immer wieder zu wirklich großer Form aufläuft, hat Bernd Weikl eine schwierige Doppelaufgabe bemerkenswert gemeistert. Er bringt viele witzige Ideen in sein Spiel und in seine Inszenierung ein. Nur ganz wenige Elemente erschließen sich bis zum Schluss nicht: Die Puppe beispielsweise, die Falstaff als kleines Abbild seiner Selbst immer mit sich herum trägt oder der Menschenaffe, der gelegentlich auftaucht, bleiben Theaterklamauk. Dem überaus kurzweiligen Abend tun diese kleinen Ungereimtheiten aber nicht den geringsten Abbruch.

 

 

Thomas Rath