Mumie beim "Maskenball"

Bizarr und operettenhaft, gespenstig und versponnen treibt der
Kaiserslauterer "Maskenball" auf den Königsmord zu. Die Inszenierung
des Pfalztheaters erlaubt sich einige Sonderwege abseits des Librettos.
Solange sich der Regie-Eigensinn mit der Verknüpfung von Tragik und
Humor verträgt, entsteht daraus die kurzweilige Schauergeschichte einer
Persönlichkeitsspaltung.

Alptraum-Phasen, die an "Hoffmanns Erzählungen" erinnern, dichten die
Handlung teilweise um und stellen den edel entsagenden Liebhaber in ein
übles Licht. Das schürt zweifellos die Spannung. Allerdings leistet
sich Regisseur Holger Pototzki auch Ausrutscher ins Lächerliche. Und
dann versagt ihm Verdis Musik die Unterstützung. Unter der Leitung von
Till Hass werden Chor und Solisten pfleglich behandelt. Sein Orchester
wirkt zwar etwas unkonzentriert, wird aber der geballten Dramatik
ebenso gerecht wie den kammermusikalischen Seiten der Partitur.

König geht über Leichen

Das Gastspiel im Ludwigshafener Pfalzbautheater konfrontiert die sehr
freundlich applaudierenden Zuschauer mit einer monströsen
Bühnenlandschaft von Thomas Dörfler. Ein riesiger Stuhl, den zeitweilig
bibbernde, schleichende Mumien umlagern, kennzeichnet König Gustav als
fiesen Throninhaber, der über Leichen geht. S
teffen Schantz gönnt ihm
jedoch einen lyrischen, schlank geführten Tenor, wie er nur einen
Gutmenschen schmückt.

Die Wahrsagerin Ulrica wird zur Hosenrolle und zur inneren Stimme des
Regenten umfunktioniert; der voluminöse Alt von Yanyu Guo gibt der neu
geschaffenen Fantasiefigur ein mächtiges Profil. Den Renato weist
Michael Bachtadzes ausladender, dunkler Bariton als rachedurstigen
Feind aus. Seine Ehefrau Amelia gewinnt durch Adelheid Finks
darstellerische Leistung stetig an Charakter und Leidenskraft, während
ihr leichter Sopran zeigt, dass ihn diese Partie deutlich überfordert.
Diana Tomsche vertritt die komödiantische Seite des "Maskenballs" als
fröhlich-naiver Oscar. ML

Mannheimer Morgen
28. Juni 2011