13.09.2011

Modenschau mit allerlei schrägen Typen

Musical: Eltons Johns Interpretation von »Aida« in Johannes Reitmeiers Inszenierung am Staatstheater Darmstadt

Darmstadt Die leichte Muse, zuständig für üppige Operetten und andere kleine Sünden, führt in Deutschland ein eher kärgliches Leben. Am Staatstheater Darmstadt immerhin darf sie jede Spielzeit einmal zeigen, zu welchen Leistungen sie fähig ist. In der gerade angelaufenen Saison gehört ihr mit dem Musical »Aida« des Gespanns Elton John und Tim Rice der Auftakt.

»Liebe, die den Tod besiegt«: Darin liegt für die arme Amneris am Ende der Sinn des Leidens und des Lebens. Das Erfolgsstück begann sein Dasein als Bilderbuch der Sopranistin Leontyne Price, die Kindern die Handlung von Verdis Ägyptenoper nahebringen wollte, wurde dann zur Off-Broadway-Show und später zum Broadway-Musical, das seit knapp zehn Jahren auch außerhalb der USA aufgeführt wird.
Aufwendig
Trotz dieser Häutungen wirkt das Stück erstaunlich homogen: Es orientiert sich eng an der berühmten Vorlage, auch wenn einige Figuren neu erfunden wurden; etwa der finstere Zoser, der sich später als Radames' Vater entpuppt, oder das Faktotum Mereb, der komödiantische Akzente setzen darf. Die aufwendige Inszenierung (Bühne: Thomas Dörfler) von Johannes Reitmeier kümmert sich wenig um ägyptisches Lokalkolorit, die fantasievollen Kostüme (Michael D. Zimmermann) deuten Ort und Zeit allenfalls an. Auch die Musik von Elton John ist eher ein Kaleidoskop seiner Möglichkeiten als Songschreiber denn musikethnologischer Korrektheit verpflichtet. Wenn es mal ägyptisch wird, dann erstaunlicherweise wie bei Giuseppe Verdi (1813 bis 1901): Mit Soloflöte über apart getupfter Begleitung.
Gesungen und gesprochen wird in Darmstadt auf Deutsch (Übersetzung: Michael Kunze), was den vielgestaltigen Songs nichts anhaben kann. Die einfältigen Dialoge grenzten aber oft ans Unfreiwillig-Komische und hätten eine Überarbeitung gut vertragen.
Den stärksten Auftritt hat sicher Amneris, intensiv und differenziert gesungen von Sigrid Brandstetter. Die Pharaonentochter ist das It-Girl der altägyptischen Wellness- und Modeszene. Ihr Song »Mein Sinn für Stil« entwickelt sich nach und nach zur grellen Modenschau mit Showtreppe und im Motown-Sound.
Spannend
Radames macht eine spannende Wandlung vom erfolgreichen Playboy und Raufbold zum aufrichtig liebenden, verzweifelten Mann durch. Aida ist von Anfang an eine starke Frau, deren Mut und Klugheit die Katastrophe dennoch nicht aufhalten können. Ein Liebesduett der beiden im Stil von Elton Johns schmelzenden Popballaden in der Mitte des ersten Aktes bekommt spontan Szenenapplaus, auch das Finale des ersten Aktes, ein großes Ensemble im Gospelstil, bleibt im Ohr.
Chris Murray als Radames und Dominique Aref spielen und singen überzeugend, wenn auch nicht immer frei vom forcierten Musicalton; dabei erscheint vor allem die strenge Schönheit Aref als ideale Aida. Das Ensemblemitglied Andreas Wagner verleiht dem Nubier Mereb tenoralen Buffocharme, der von André Weiss einstudierte Chor beweist einmal mehr seine erstaunliche Wandlungsfähigkeit. Für die Choreographie zeichnet Anthoula Papadakis verantwortlich, das Orchester des Theaters in Broadway-Besetzung wird sensibel von Vladislav Karklin geleitet. Steffen Meder

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